Eine spannende Japanreise von September 2019 bis Dezember 2019
Vom 11. September bis zum 3. Dezember reiste ich mit meinem Mann durch Japan. Wir hatten schon lange vor, dieses faszinierende Land kennenzulernen, waren aber bisher immer vor den sprachlichen Problemen und der sehr fremden Kultur zurückgeschreckt, obwohl wir bereits zahlreiche Länder auf unterschiedlichen Kontinenten als Backpacker und per Roadtrip erkundet hatten. Liest man Reiseberichte über Japan, werden dort immer wieder zahlreiche, für uns merkwürdige Eigenheiten erwähnt, wie z.B. die Extraschlappen für den Toilettenbesuch, das Multifunktionsklo mit Bidet, gewärmter Klobrille und Geräuschkulisse, die die menschlichen Geräusche für Außenstehende verdecken sollen, sowie die Angewohnheit der Japaner nacheinander dasselbe Badewasser zu benutzen, wobei die Gäste Vortritt bekommen. Wir versuchten uns also im Vorfeld gut zu informieren, um nicht in jedes Fettnäpfchen hineinzutreten. Da die Japaner den Ruf haben, nicht viel Englisch sprechen zu können, oder nicht den Mut haben, es anzuwenden, hat mein Mann 4 Monate lang per App Duolingo etwas Katakana und Hiragana versucht zu lernen. Kanjis zu lernen ist eine Lebensaufgabe, selbst für die meisten Japaner und in der kurzen Zeit unmöglich.
Gerade weil die Kultur so anders ist und weil sprachliche Probleme vorprogrammiert erschienen, entschieden wir uns, so häufig wie möglich Servas zu nutzen, um hinter die Kulissen zu sehen und das Fremde besser verstehen zu können. Die Vorplanung war dabei ziemlich zeitaufwendig und mühsam. Wenn man drei Monate reist und von Deutschland aus noch nicht einmal im Voraus sagen kann, wie man unterwegs sein wird, da die Japan Railpässe nur für 1-3 Wochen gelten und somit keinen Sinn machen, ist es schwierig zu sagen, wann man wo sein will oder kann. Ich schrieb alle infrage kommenden Gastgeber bereits im Juni an und fragte nach einer Besuchsmöglichkeit innerhalb einer Zeitspanne, die für diese Region einen Besuch wahrscheinlich machte. Etwa die Hälfte antwortete gar nicht, ein Teil der Mails kam zurück, weil irgendetwas an der Adresse nicht stimmte und einige schickten eine Absage. Mit denen, die uns einen bestimmten Zeitraum zugesagt hatten, blieben wir im Mailkontakt und es kam letztendlich zu 7 Begegnungen. Die Mühe hat sich absolut ausgezahlt, denn die Gastgeber, die wir kennenlernen durften, machten unsere Reise zu einem wunderschönen Erlebnis, das wir nie vergessen werden. Wir möchten mit diesem Reisebericht noch einmal unseren besonderen Dank sagen für all die Mühe, die sich unsere Gastgeber gemacht haben, um uns eine intensive und unvergessliche Zeit zu schenken. Schon kurz nach unserer Ankunft in Tokyo ermöglichten uns Rosemarie und Nobu an einem religiös-traditionellen Fest teilzunehmen, bei dem der Quartiersschrein (Mikoshi) auf einer Art Sänfte durch das Quartier getragen wird. Mit lauten Rufen und Pfeifen wird auf die kleine Prozession aufmerksam gemacht und zwischenzeitlich gibt es immer wieder Erfrischungen und Snacks. Wir wurden von der Gruppe herzlich aufgenommen und durften auf einem Teil der Strecke den Schrein
mit durch das Quartier tragen.
Bei Sachiko und Masumi in Sendai wurden wir in die Besonderheiten des japanischen Bades eingeführt, bekamen Einblick in die eigene Firma, durften die hervorragenden Kochkünste von Sachiko auskosten und bekamen den Tipp für eine traumhafte Bootsfahrt in der Bucht von Matsuchima. Abends drückten wir gemeinsam die Daumen für die japanische Frauenmannschaft bei der Volleyball WM, denn Sachiko ist ein wahrhaft ansteckender Fan.
Waren wir bis hierher mit dem Zug gefahren, entschieden wir uns in Sendai für die kommenden zwei Monate ein Auto zu mieten. Das gab uns die Möglichkeit, problemloser auch in kleinere Orte, Nationalparks und zu abgelegenen Servasgastgebern zu kommen. Außerdem ermöglichte es uns, Nächte zwischen unseren Servasbesuchen auch mal im Auto zu schlafen, was in Japan gängige Praxis ist. Wir konnten auch zu kostenfreien, aber abgelegenen Zeltplätzen zu fahren. Unsere nächsten Gastgeber waren Noriko, Masahiko und die kleine Tsumugi in Fukushima. Gleich am ersten Abend wurden wir eingeladen, an einer Veranstaltung in einem Gemeindezentrum teilzunehmen. Es handelte sich um eine Dinnerparty mit Eröffnung einer Fotoausstellung zum großen Erdbeben und Tsunami am 11.3.2011, was aufgrund der Katastrophe im Atomkraftwerk Daiichi an der Küste der Präfektur Fukushima weltweit für Bekanntheit gesorgt hat. Der Fotograf Katsumi Hirabashi und der Publisher Iwao Kawade waren vor Ort. Katsumi war selbst Opfer des Bebens und versucht nun den Menschen vor Ort Mut zu machen und aufzuzeigen, wieviel Mut und Kraft sie bewiesen haben und welche Hoffnung daraus abzuleiten ist. Von ihm erfuhren wir auch von dem Projekt der gigantischen Mauer, die 4 Meter hoch und 400km entlang der Küste, um Tsunamis abzuhalten.
S einer Meinung nach kann keine Mauer hoch oder stark genug sein, um diesen Naturkräften Stand zu halten. Diese Mauer zerstört jedoch den Rest des Schönen, was den Menschen vor Ort geblieben ist: die Natur. Wir lernten an dem Abend außerdem das Projekt „Paying forward coffee“ kennen und genossen leckere Snacks zu Lifemusik. Auch die nächsten Tage kümmerten sich Noriko und Masahiko hervorragend um uns und ermöglichten uns wunderschöne gemeinsame Stunden im Onsen, bei Schreinen, auf einem Vulkan, bei einem Essen bei einem weiteren Servasgastgeber Teruo sowie bei Festen. Zum Ende unserer Reise besuchten wir sie noch einmal, als wir unser Auto wieder abgeben mussten.
In Kami genossen wir bei unseren Gastgebern Michiko und Masao das ruhige Leben abseits der Städte, wurden mitgenommen zu einer Apfelplantage mit köstlichen Äpfeln, lernten etwas über das Leben der Samurei, tauschten uns mit Michiko über internationale Schüleraustausche aus und erfuhren etwas über Masaos Arbeit als Tierarzt speziell für Schweine. Wieder einmal konnten wir die gute heimische Küche ausgiebig kosten.
Nach Kami hatten wir für eine lange Zeit keine Servaskontakte, da wir keine Gastgeber gefunden hatten. Dafür hatten wir aber einen ganzen Katalog von Tipps unserer letzten Gastgeber in der Tasche. So kam es, dass wir den Norden der Hauptinsel Honshu so ausgiebig erkundeten, dass wir in Aomori entschieden, nicht nach Hokaido zu fahren, sondern erst einmal Honshu ganz intensiv zu bereisen. Am 12.Oktober wütete der Taifun Hagibis über Japan und hinterließ über 90 Tote und einen immensen Schaden. Wir erlebten live mit, wie die Warnmeldungen immer näherkamen und bangten um unsere neugewonnenen Freunde, die zum Teil auf gepackten Koffern bereit zur Evakuierung warteten. Wir selbst hatten das unheimliche Glück in einem Hotel in Niigata an der Westküste im 8.Stockwerk zwar heftigen Regen zu sehen, aber in unserem Umkreis mit keinerlei Gefahren konfrontiert worden zu sein. Weiter ging die Reise nach Tsu in der Mie Präfektur, zu unseren Gastgebern Suwako und Hirofumi. Hier waren wir richtig auf dem Lande und die Beiden hatten sich der ökologischen Landwirtschaft verschrieben. Sie waren sogar eine Zeitlang in Kenia und haben versucht die Methoden dort zu vermitteln, was sehr spannend war zu hören. Gemeinsam mit Suwako besuchten wir den Ise Schrein, der so etwas wie das Mekka von Japan ist. Wir lernten eine alte Freundin und Nachbarin kennen und Suwako und sie kleideten mich in einen Kimono und überraschten mich damit, dass sie ihn mir schenkten! Das verschlug mir absolut die Sprache, was bei mir nicht häufig vorkommt. Die Großzügigkeit in Japan hat uns überall erstaunen lassen. Selbst Freunde unserer Gastgeber schenkten uns immer wieder Obst oder andere Kleinigkeiten, was uns schon fast beschämte, denn außer für unsere Gastgeber hatten wir keine Geschenke eingepackt.
Nach Tsu führte uns der Weg nach Kyoto zu Kiyomi, Takao und seiner Mutter. Hier muss ich noch einmal meinen ganz besonderen Dank hervorheben. Nicht nur, dass sie sehr vielen Servasgästen ihr Haus öffnen und wir nacheinander mit einer Amerikanerin und einem englischen Pärchen dort sein durften, sie retteten uns auch aus einer verzweifelten Situation! Ich bekam in Kyoto eine Blindarmentzündung, und das am Wochenende vor der Krönung des neuen Kaisers. Nicht nur, dass Takao mit uns zu einem Krankenhaus gefahren ist, was bereit war an einem Wochenende eine ausländische Patientin aufzunehmen, er übersetzte auch alles vom Englischen ins Japanische. Wir wären hier hilflos gescheitert, denn sogar mein Name und mein Geburtsdatum musste ins Japanische übersetzt werden, wobei uns Google mit Sicherheit keine Hilfe gewesen wäre.
Da erst eine ambulante Antibiotikatherapie versucht wurde, lud er uns wie selbstverständlich ein, auch die nächsten drei Tage bei ihnen zu wohnen und fuhr täglich als Dolmetscher mit zum Krankenhaus. Letztendlich musste ich doch zur Operation aufgenommen werden, sodass wir am Ende ganze zwei Wochen bei Kiyomi und Takao wohnten und sie sich mit viel Mühe und Liebe um uns kümmerten. Wir versuchten, ihnen in den letzten Tagen unseren
Dank zu zeigen, indem wir mehrmals Gerichte aus Europa kochten, aber wir wissen, dass das, was sie für uns taten, mit nichts in der Welt zu bezahlen ist. Bei Ihnen lernten wir dann auch noch Yoshio und Setsuko aus Otsu kennen, die wir eigentlich nach Kyoto besucht hätten, was nun nicht möglich war. Sie brachten sehr leckeres selbstgebackenes Brot mit, denn sie haben eine Bäckerei und versuchen nach deutschen Rezepten zu backen. Es war wirklich eine Wohltat, denn in Japan gibt es sonst nur Toastbrot und ähnlich weiches, helles Brot zu kaufen.
Leider hat meine Krankheit die weiteren Reisepläne und Servasbesuche über den Haufen geschmissen, da uns die Zeit zu knapp wurde und wir nur bis auf die Inselchen vor Kure kamen und nicht bis runter nach Kyushu. Das müssen wir uns für eine weitere Reise aufheben. Wir brachten Ende November unser Auto die ganze Strecke zurück nach Sendai, machten Halt an vielen schönen Orten wie Maebashi und Nikko, was uns wundervolle Ausflüge in die farbenprächtigen Herbstwälder und Ausblicke auf verschneite Berge ermöglichte.
Wir besuchten unsere Servasfreunde in Fukushima noch einmal und malten bei einem Workshop unsere eigenen „Kokeshi“ (japanische Puppen), bastelten Spielzeug mit Noriko und ihren Freundinnen und unternahmen einen Ausflug in die Natur.
Per Zug ging es nach Fuji und wir genossen von einem Hostel den Blick auf den Fujiyama und verbrachten zum Schluss noch zwei Nächte bei unseren ersten Gastgebern Rosemarie und Nobu in Tokyo. Es war wie nach Hause zu kommen und wir hatten viele interessante Gespräche und machten aufgrund des miesen Wetters eine Tunneltour durch das Gebiet um Tokyo Bahnhof. Einmal aus dem Tunnel aufgestiegen, lernten wir das „Harrods“ von Tokyo kennen, das älteste und super edle Geschäft:“Mitsukoshi“.
Herzlichen Dank an all unsere lieben Servasfreunde und auch an die, die uns eingeladen hatten, aber wir aus Zeitgründen nicht mehr besuchen konnten.
Bad Harzburg, den 7.12.2019
Heidrun und Stefan Dyckhoff