
Im Februar 2017 hatte ich Vergnügen daran, nach 32-jähriger SERVAS-Mitgliedschaft der erste Gast beim ersten Gastgeber Kubas zu sein und in stundenlangen Gesprächen mit Michel die Gestaltung von SERVAS Kuba zwischen grundsätzlicher SERVAS-Idee und kubanischer Realität auszuloten. Michel wünscht sich viele SERVAS-Gäste ebenso wie eine Verbreitung der Idee in Kuba.
Erst seit wenigen Jahren dürfen Privatleute casas particulares, Privatunterkünfte anbieten; das bedarf staatlicher Konzessionen, Zahlung von Steuern und offizieller Meldung jedes Gastes. Wer Freunde bei sich daheim beherbergen möchte, muss dafür eine Genehmigung der örtlichen Immigrationsbehörde einholen – die Besitzurkunde für seine Wohnung oder sein Haus mitbringen und darlegen, woher man sich kennt und wie es zu dieser Privateinladung kam. Das bedeutet Gang zu einer Behörde, Warteschlange und Offenlegung persönlicher Beziehungen gegenüber einer misstrauischen oder solche Dinge ungewohnten Staatsangestellten. Es kostet 40 CUC; der monatliche Durchschnittsverdienst beträgt zwischen 10 und 50 CUC in Kuba. 1 CUC entspricht etwa 1 Euro.
Ich durfte auf solche Weise eine Woche lang die Familie eines langjährigen kubanischen Freundes besuchen, keine SERVAS-Mitglieder. Die Familie war angetan von der SERVAS-Idee , dennoch spürte ich, dass sie aufgrund ihrer Lebenssituation (materielle) Schwierigkeiten hätten, jemanden zu beherbergen, sogar als day host vielleicht nur zu einem Essen einzuladen. Sie fänden es beschämend, dafür Geld entgegen zu nehmen, könnten es sich aber nicht leisten, das zu geben, was sie selbst für Gastfreundlichkeit halten und bieten wollen, eine Tasse Kaffee und vielleicht ein Stück Kuchen.

In den typischen Tourismusgegenden (Ressorts wie Varadero oder Guardalavaca; Hauptstadt Havanna und gut restaurierten Städten wie Cienfuegos oder Trinidad; Natur-Besonderheiten wie um Vinales) haben viele Kubaner inzwischen gelernt, wie sie an das Geld von ausländischen Touristen gelangen können. Sogenannte freiwillige Wegbegleiter, Jitineros, bieten ihre gastfreundlichen Hilfen an – und strecken am Ende die Hand aus. Umgekehrt gibt es auch Touristen, die freiwillig ein Vielfaches vom eigentlichen Preis bezahlen, aus Mitleid oder anderen Motiven. Und es gibt – trotz kubanischer scharfer Gesetze dagegen – Sextourismus, junge Männer wie Frauen bieten feil was ihnen geblieben ist, ihren Körper, gegen Geld, das ihnen und ihren Familien Leben in Kuba ermöglicht oder gegen den „Bezugsschein“ Ehe die Ausreise aus Kuba.
SERVAS-Reisende werden eine ausnehmend kleine Besonderheit darin darstellen, aber sie werden SERVAS Kuba mit prägen, denn die Gastgeber im Lande werden eher null eigene Reise- und Auslandserfahrung haben. Dessen sollten sich SERVAS-Reisende bewusst sein, sanften Tourismus pflegen, wirkliche Begegnungen fördern, das Land und seine Gepflogenheiten wie seine Probleme wahrnehmen und berücksichtigen.
Ich lernte jemanden kennen, der sofort Interesse bekundete, SERVAS Gastgeber zu werden, aber er hat keine Mail-Adresse, was nicht untypisch für Kuba ist. Per Handy miteinander simsen oder telefonieren kostet auch pro Gespräch oder SMS, von öffentlichen Fernsprechern anrufen ist billiger und wird daher bevorzugt. Bestätigungen einer Nachricht laufen stillschweigend, indem kurz angerufen, aber nicht abgenommen wird. – Die Internet-Situation wird vermutlich am schnellsten verändert sein, das gilt es zu beobachten, aber die grundsätzliche Lebenssituation in Kuba bleibt schwierig. Den stärksten Einfluss darauf nimmt zur Zeit die stärkste Wirtschaftsbranche, der Tourismus.
Helga Merkelbach, SERVAS Gastgeberin in Bremen, hat ein Buch über ihre Erfahrungen in Kuba 2017 mit ausdrücklichen Bezügen zu SERVAS veröffentlicht:
https://www.epubli.de/shop/buch/Kuba-2017-Im-Wirbelsturm-des-Tourismus-Helga-Merkelbach-9783745037821/63946
Hinweis von Servas:
Es gab in der Vergangenheit bereits einmal Servas in Kuba.
Einige Kubaner sind darauf angewiesen, durch Vermietungen ihre ökonomische Lage zu verbessern, viele haben räumlich und / oder wirtschaftlich nicht die Möglichkeit, darüber hinaus Übernachtungsgäste zu beherbergen.
Zur Zeit gibt es jedoch bereits 7 Day Hosts in Kuba, die sich freuen, Zeit mit Gästen zu verbringen.
Brasilianische SERVAS-Mitglieder fördern den Aufenthalt einer argentinischen Studentin, bei manchen irischen SERVAS-Gastgebern kann man länger als zwei Nächte gegen Mitarbeit in Haus und Hof verweilen. – SERVAS ist vielfältig und es ist nicht vorhersehbar, wie es in Kuba aussehen wird.