„Servas By Bike invites you to explore scenic countryside along the border of the Czech
Republic, Germany and Poland. This place is known as „Three-Country-Corner”, an area
where borders are not walls but „historical bridges” through cultures and natural
treasures.“…
So lautete die Einladung und ich war glücklich einen Platz für mein erstes Servasmeeting ergattert zu haben: Radfahren, gemeinsam, in einer Gegend, die ich noch überhaupt nicht kannte, aus deraber einige meiner Deutschschüler kommen. Dann kamen mit Ausbruch des Ukrainekriegs Zweifel: Soll das Treffen stattfinden, kann man einfach auf eine Radtour gehen, während im Nachbarland Krieg ist, (wie) soll man sich mit diesem Thema auf dem Treffen befassen?
Vielen Dank den wunderbaren Organisatoren Raffaela und Marietta, Tony und Michal, dass es stattfinden konnte. Die Gruppenunterkunft, Planung der Routen und Organisation insgesamt war wirklich toll.
Ich bin 2 Nächte vorher mit dem Zug angereist, und habe mich in Zittau von zwei sehr netten Servasgastgebern verwöhnen lassen, in deren Riesengarten mein Lieblingsobst, Erdbeeren aus eigenem Anbau, zum Frühstück liebevoll dekoriert serviert bekommen und bin von dort mit dem Rad Richtung Hermanice aufgebrochen. Da ich mir (auch das erste Mal) selbst meinen Weg suchen musste, habe ich bei über 30° zunächst meine Fitness am Berg (den ich bequem hätte umgehen können) getestet, dann aber rechtgut zur Anmeldung gefunden und von dort zur Unterkunft, wo auch schon einige andere Teilnehmer warteten und organisierten.
Ich war in einem 8-er Zimmer mit eigenem Bad eingeteilt und fand ein Bett neben einer netten Frau aus Polen. Das Ganze hatte etwas von der Atmosphäre einer Jugendfreizeit in früheren Jahren, wahrscheinlich etwas friedlicher, aber natürlich nicht ohne den üblichen Konflikt über die Nachtruhe ;).
Hermanice liegt in einer landwirtschaftlich tollen Gegend, man kann wandern, Radfahren und sogar im kleinen See baden! Daher sind wir in verschiedenen Gruppen genau dazu auch am Nachmittag aufgebrochen und ich habe die gleiche Erfahrung gemacht, wie meist bei Servasbesuchen: wir waren sofort im Gespräch und Austausch miteinander über Themen und Persönliches, dass ich gewöhnlich nur mit wirklich langjährigen Freunden teile.
Als am Abend dann alle wieder beisammen saßen, kam natürlich das zur Sprache, was alle Teilnehmer bewegt: „Urlaub“ und Krieg, wie bewegen wir uns als Mitglieder in einer Friedensorganisation zwischen diesen Polaritäten in einer Region, die sehr nah am Kriegsgeschehen ist. Wir haben unsere Gedanken hierzu schon in der Vorstellungsrunde ausgetauscht. Was mich, die weit von der Grenze entfernt wohnt, extrem beeindruckt hat, war die ungeheure Hilfsbereitschaft und der Einsatz einiger Servasmitglieder aus Polen: junge Menschen, die zwei Monate lang ihre Arbeit ruhen ließen (!!) und mit einem Kleinbus Lebensmittel in die Ukraine und Flüchtlinge aus der Ukraine transportiert haben. Nicht nur das, auch über Servasverbindungen, Unterkünfte und Hilfen für diese Flüchtlinge organisiert haben, dabei ihre eigene Gesundheit und Sicherheit riskiert.
Sie haben aber durchaus auch das ausgesprochen, was ich häufig denke: dass irgendwann auch wieder ein Alltag einkehren muss, sie ihre Privatsphäre, den Alltag zurückerlangen möchten, dass die Flüchtlinge auch eine langfristigere Perspektive brauchen, dass es schön ist, wenn zum Ausgleich für die Hilfe Haare geschnitten, Wohnungen geputzt, etc. werden, aber dass das diejenigen gefährdet, die das berufsmäßig tun und davon leben. Ich kenne die Gesetzeslage in Polen nicht. In Deutschland ist es für Flüchtlinge, egal wo
sie herkommen, sehr schwierig, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen und dann auch entsprechend der Tätigkeit bezahlt zu werden. Für Menschen aus der Ukraine wurden, soweit ich weiß, Verfahren beschleunigt. All diese Gedanken gehen mir auf diesem Treffen durch den Kopf und das wäre sicher nicht der Fall, wäre es abgesagt worden.
Beim Wandern und Radfahren in dieser tollen Gegend lässt es sich zusammenbringen, Erholung und „politisches Engagement“. Ich fahre mit dem Plan nach Hause, auf jeden Fall in dieses Dreiländereck zurückzukehren, um es weiter zu Fuß oder per Rad zu erkunden und die Menschen wiederzutreffen, und ich mache mir Gedanken, welche Form meine persönliche Ukrainehilfe haben soll.
(Copyright Text und Fotos: Martina P.)